Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:
„Es ist die letzte reguläre Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode. Deshalb werden wir natürlich in dieser Woche auch den Blick zurückwerfen, um Bilanz zu ziehen. Die Periode war ja geprägt von einer zentralen Herausforderung, nämlich der Bewältigung der Corona-Krise. Die Fraktion der FDP hat hier Haltung gezeigt. […] Die FDP-Bundestagsfraktion war immer in der staatspolitischen Verantwortung. Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Gefahren der Pandemie geleugnet. Aber wir kamen zu anderen Abwägungen als unsere Mitbewerber hinsichtlich der sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Risiken der Pandemiebekämpfung. Wir haben gezeigt, dass die Fraktion der Freien Demokraten eine größere Sensibilität gegenüber Bürgerrechten und gegenüber dem Wert der Freiheit hat als andere. […] Vor uns liegen weitere Herausforderungen nach der Pandemie. Es ist die Sicherung des Wohlstands, es ist die Neugründung unserer sozialen Sicherungssysteme in einer alternden Gesellschaft und es ist die Gestaltung der Transformation, die aufgrund der notwendigen Dekarbonisierung und aufgrund der Chancen der Digitalisierung vor uns liegt. Wir haben uns hier immer mit konstruktiven Beiträgen in die Debatten eingebracht. Wir haben unsere Oppositionsarbeit so angelegt, dass wir die Phase der Opposition hinter uns lassen können und Regierungsverantwortung für dieses Land in der nächsten Periode übernehmen können. Die Bundestagswahl wird diesbezüglich ja eine Richtungsentscheidung sein. […]
Die Union hat gestern ihr Wahlprogramm vorgelegt. Natürlich kann man als Mitbewerber immer Kritik äußern, kann Ankündigungen zu vage finden. Man kann die Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen, wenn doch so viele Jahre die Union regiert hat. […] Kritik zu üben, das fällt sehr leicht. Für mich ist der Programmentwurf der Union aber vor allen Dingen eine positive Überraschung, denn nach zehn Jahren, in der die Union ja nur Wohlstand verteilt hat und den Stillstand, den Status quo verwaltet hat, gibt es jetzt die Bereitschaft zu einem Modernisierungsjahrzehnt. Und es gibt das Bekenntnis dazu, dass unsere wirtschaftliche Stärke überhaupt einmal erneuert werden muss. […] Das ist eine erfreuliche Überraschung, dass die Union sich zu diesem grundlegenden Ziel bekennt. Im Übrigen hat uns gefreut, dass die Union unterdessen ja auch Steuererhöhungen ausschließt. Das klang vor kurzem noch sehr anders. […] Das hat sich verändert. Die Position der Union hat sich verändert. Die Union hat sich ein Stück der FDP in diesen Fragen angenähert. Der wachsende Zuspruch zur FDP verfehlt also vor der Wahl bereits seine Wirkung auf die Union nicht. Wir können absolut damit leben, dass die Union im Ideenwettbewerb mit der FDP jetzt bestimmte Festlegungen und Positionen übernimmt. Das ist sehr gut fürs Land. Die Vergangenheit hat ja ohnehin gezeigt, dass in der Regel die FDP das halten muss, was die Union verspricht, weil es nach der Wahl insbesondere im Bereich der Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik gelegentlich zu Vergesslichkeit bei der Union kommt. […]
Wir werden uns […] beschäftigen mit den Vorschlägen des Bundesfinanzministers für den Etat 2022. Erneut wird die Netto-Kreditaufnahme im Plan erhöht auf 100 Milliarden. Das ist abenteuerlich, angesichts der ja unverändert unangetasteten Rücklagen, über die der Bundeshaushalt verfügt. Hier wird ganz offensichtlich eine Wahlkampfreserve angelegt. Herr Scholz agiert nicht als Finanzminister, sondern er agiert als Wahlkämpfer der SPD. Die Frage, die sich stellt, ist, warum die Union das geschehen lässt. Denn der Beschluss des Bundeskabinetts, das wird nicht der Beschluss nur von Herrn Scholz sein, sondern das ist auch ein Beschluss, den CDU und CSU dann ja mittragen. Und die Ankündigung, nach der Bundestagswahl werde man dann einen Kassensturz machen, wie wir das aus der Union gehört haben, überzeugt uns nicht. Schon jetzt wäre es ein Gebot der Stunde, solide zu wirtschaften und einen solchen Etatentwurf nicht einfach passieren zu lassen. Möglicherweise ist auch der Union ganz recht, dass mit einer so hohen Netto-Kreditaufnahme geplant wird. Da wird möglicherweise der eigene geplante Kassensturz schon vorbereitet […] Dieser Etatentwurf, so viel ist sicher, wird jedenfalls das Bundesgesetzblatt für das Jahr 2022 so oder so nicht erreichen.
Wir werden uns mit dem Beschluss zum Klimapaket der Bundesregierung beschäftigen und auch eigene Vorschläge nochmal unterstreichen. Uns erschließt sich nicht, warum aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Konsequenz einer jetzt doch sehr aktionistischen Veränderung beim Klimaschutz gezogen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat ja Planbarkeit bis zum Ziel der Klimaneutralität gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hat keine Hauruck-Beschlüsse gefordert. Leider fehlt die grundlegende Inventur der Klima- und Energiepolitik in Deutschland. Sie ist planwirtschaftlich verkantet und deshalb zu teuer und zu unwirksam. Sie ist auch technologisch festgefahren. Wir nutzen gar nicht die Potenziale, die es gibt. […] Das, was nun beschlossen wird mit einseitig national höheren Zielen für den Klimaschutz, ist nicht europäisch eingebunden. Es ist überwiegend teuer und es fehlt ein echter Umsetzungspfad für die Ausweitung der Kapazitäten an erneuerbarer Energie und der dafür notwendigen Infrastruktur. Nach der Bundestagswahl wird es auch hier zu einer Neubewertung, einem Neustart kommen müssen, wenn unser Land gleichermaßen seine industrielle Basis mit vielen, vielen hunderttausend Arbeitsplätzen erhalten will und andererseits seiner ökologischen Verantwortung gerecht werden möchte. Unser Vorschlag ist, die Instrumente eines CO2-Handels mit Erlaubnisscheinen zu nutzen. Der ist offen für die Speicherung von CO2, für die Vermeidung von CO2 gleichermaßen. Der bezieht alle Faktoren mit ein und trägt deshalb dazu bei, dass an der günstigsten Stelle CO2 eingespart wird […]. Wir wollen also die Marktwirtschaft mit ihrem Ideenwettbewerb, mit dem Erfindungsreichtum der Menschen in den Dienst des Klimaschutzes stellen, statt mit immer neuen Quoten, Verboten und Subventionen in Wahrheit die Kreativität und Anpassungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft zu bremsen. […]“